Die Pläne der Ampel-Koalition, Cannabis für die Genusszwecke von Erwachsenen in Deutschland zu legalisieren, haben die Diskussion über die Vor- und Nachteile eines legalen Zugangs zum natürlichen Rauschmittel neu entfacht und besonders die strikten Gegner des Vorhabens aufgeweckt. Mit Vorsicht zu betrachtende Suchthilfeeinrichtungen machen mit altbackenen Argumenten mobil gegen die Handfreigabe und auch gewisse Kräfte der Polizei sprechen immer wieder davon, wie gefährlich der erleichterte Zugang zu Cannabis werden könnte.
Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung laut Umfrage des Deutschen Hanfverbandes mittlerweile die Unsinnigkeit der Prohibition verstanden hat und in anderen Ländern Erfolge mit legalem Marihuana erzielt worden sind, wettern hier Personen und Organisationen, die sich wohl vor einer Zeit fürchten, in denen die einfache Arbeit mit oder gegen Konsumenten nicht länger zum Tagesgeschäft hören. Die Publikation Merkur.de hat aktuell vier in unterschiedlichen Berufen arbeitende Personen aus dem Landkreis Dachau interviewt und sie zu ihrer Meinung bezüglich der Cannabislegalisierung befragt.
Der Apotheker
Mit dem recht eindeutigen Ergebnis von drei zu eins kommt die Legalisierung von Cannabis gegen die derzeit noch geltende Prohibitionspolitik aus den geführten Gesprächen. Eine Suchtberaterin, ein Apotheker und ein Politiker sprechen sich recht eindeutig dafür aus, dass die bisherige Herangehensweise nicht als optimal bezeichnet werden kann. Auch wenn der Dachauer Apothekensprecher Maximilian Lernbecher vor allem Risiken in einer Freigabe sieht, da jedem erwachsenen Menschen die Option der legalen Beschaffung des Rauschmittels ermöglicht werden würde, erkennt der Arzneimittel verkaufende Apotheker, dass eine Austrocknung des Schwarzmarktes und ein Weg aus der Kleinkriminalität für viele Beteiligte ermöglicht werden könnte.
Unter den richtigen Regeln und bei bestehendem Wunsch in der Bevölkerung stände er jedoch der Hanffreigabe zu Genusszwecken positiv gegenüber. Nur mit „schäbigen Coffeeshops“ wolle er als Apothekenbetreiber dann nicht verglichen werden. Das richtige Alter für den Zugang zum Angebot würde Maximilian Lernbecher dazu erst bei 25 Jahren ansiedeln.
Die Drogenberaterin
Sylvia Neumeier von der Suchtberatung Drops würde bei einer Cannabislegalisierung das Alter, das einen Einkauf erlaubt, bei 21 Jahren ansetzen. Sie hat in ihrer Position verstanden, dass das Verbot niemanden bislang vom Konsum abgehalten habe. Deshalb geht sie auch nicht davon aus, dass sich nach einer Freigabe die Konsumentenzahl drastisch erhöhen würde. Auch würde wohl das Arbeitspensum nicht erhöht werden, wenn der legale Zugang in Zukunft ermöglicht wird. Sie sähe eher Vorteile, die mit der Beendigung der Stigmatisierung von Konsumenten einhergehen, da die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen, bei den Betroffenen zunehmen würde, wenn das Gefühl verschwände, etwas Verbotenes zu tun.
Einen weiteren großen Pluspunkt im Umschwung der Drogenpolitik erkennt sie in der Umschichtung von Geldflüssen, die bislang für die Strafverfolgung ausgegeben worden sind. Wenn diese Beträge fortan in die Suchthilfe und Prävention fließen, könne sie der Cannabislegalisierung in jedem Fall etwas Gutes abgewinnen. Aus ihrer Sicht sei Aufklärung stets besser als eine Verurteilung.
Der Politiker
Dass die Prohibition keines ihrer versprochenen Ziele eingehalten habe, erkennt der Dachauer Kreisrat von der Linken/Die Partei Jonathan Westermeier. Alle Daten würden für eine Legalisierung sprechen, auch wenn Westermeier lieber von einer regulierten Abgabe spricht. Es würde schließlich kein neues Produkt eingeführt, sondern einzig vom Schwarzmarkt in den öffentlichen Raum eingeführt. Laut der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht habe die Gesetzgebung eh keinen Einfluss auf das Konsumverhalten der Nutzer.
Er sieht zwar voraus, dass es nach einer legalen Freigabe von Cannabis eine Steigerung der Konsumentenzahlen geben werde, doch dieser Anstieg würde nicht stark ins Gewicht fallen und dazu nur von kurzer Dauer sein. Die Zahlen würden auf längere Sicht wieder sinken. Wichtig sei ihm in der Debatte, dass die Öffentlichkeit derzeit meist noch vollkommen übersehen würde, dass Cannabis in erste Linie auch eine heimische Nutzpflanze sei.
Die Gewinnung nachhaltiger Produkte wäre ein nicht zu verachtender Vorteil, würde berauschender Hanf wieder in großem Stile angebaut werden können. Kleidung, Papier und sogar nachhaltiges Plastik könnten aus den Abfallprodukten der Rauschmittelgewinnung hergestellt werden und stellten einen ökologischen Gewinn für die Allgemeinheit dar. Ebenso wäre die Einstellung der Strafverfolgung ein großer Vorteil, da schnell die Lebenswege junger Menschen aufgrund der Überschreitung des Cannabisverbotes verbaut werden können. Daher sei die Regulierung des natürlichen Rauschmittels aus seiner Sicht ein längst überfälliger Schritt.
Die oberbayerische Polizei
Bayern ist schon lange das Bundesland, das von Cannabisnutzern am kritischsten betrachtet wird. Kleinstmengen können zu Hausdurchsuchungen und Anklagen führen. Bayrische Polizisten scheinen oft bei der Jagd auf Konsumenten größte Befriedigung zu erfahren. Daher wundert es auch nicht, dass seitens des Pressesprechers des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, einem Herrn Michael Graf, die bekannten Argumente von Legalisierungsgegnern genutzt werden, um das Vorhaben der Ampel-Parteien betreffend der Cannabisfreigabe zu kritisieren. Man sehe die Pläne kritisch und lehne den Umschwung in der Drogenpolitik ab, so die schriftliche Stellungnahme.
Die Signalwirkung, die durch die Legalisierung vermittelt würde, wäre für Jugendliche und auch für Erwachsene fatal. Cannabiskonsum sei schließlich gesundheitsschädlich und könne einen dauerhaften Verlust von Konzentrations-, Lern- und Leistungsfähigkeit mit sich bringen. Die Hemmschwelle, zu Cannabis zu greifen, würde verringert werden und die Verkaufsstellen könnten sich zu Treffpunkten für Drogenabhängige entwickeln. Die Auswirkungen auf die polizeiliche Arbeit könnten dagegen noch nicht prognostiziert werden, da die Rahmenbedingungen der Cannabislegalisierung derzeit nicht bekannt seien.
Fazit
Es ist schon etwas erstaunlich, dass ausgerechnet Suchtberater, Politiker und Apotheker der Öffnung eines regulierten Cannabismarktes positiver gegenüberstehen als Polizeibeamte, die mit dem einfachen Einfangen friedlicher Konsumenten ihre wertvolle Arbeitszeit vergeuden. Diese wäre im Kampf gegen tatsächliche Verbrechen wesentlich sinnvoller eingesetzt, was im Interesse der Allgemeinheit sein dürfte. Während bei der befürwortenden Gruppe die Vorstellungen soweit reichen, dass die Vorteile die derzeitigen Nachteilen übertrumpfen, beschwören die Polizeibeamten dagegen eine katastrophale Entwicklung herauf, während sie die Veränderungen in ihrem eigenen Arbeitsumfeld nicht vorhersehen zu vermögen.
Dass sich dazu aus prognostizierender Sicht der Polizei zukünftig zertifizierte Verkaufsstellen wie Apotheken zu „Anlauf- und Kontaktanbahnungsstelle für Drogenabhängige“ entwickeln könnten, klingt in diesem direkten Zusammenhang dann wohl wirklich eher hanebüchen. Erinnerungen an Sherlock Humbug aus der Sesamstraße werden geweckt.
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