Warum nach der Wahl wieder Bewegung in die Cannabisdebatte kommen könnte

  • Im Bundestag gibt es schon lange eine theoretische Mehrheit für eine regulierte Freigabe von Cannabis.
  • Jetzt prüft das Bundesverfassungsgericht in zwei Normenkontrollverfahren das Verbot.
  • Rückt die Legalisierung von Cannabis näher?

Berlin. Zu teuer, zu ineffizient, nicht mehr zeitgemäß – das Verbot von Cannabis steht seit Jahren in der Kritik. Bereits jetzt gibt es eine theoretische Mehrheit im Bundestag für eine Legalisierung von Cannabis. Vier von sechs Fraktionen im Parlament setzen sich für die Legalisierung des Konsums ein. Nur Union und AfD lehnen das ab. Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl könnte Bewegung in die Debatte kommen.

Für die CDU ist eine Legalisierung von Cannabis kein Thema. Eine Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) beantwortet eine Parteisprecherin mit dem Hinweis auf das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU. Dort heißt es: „Eine Legalisierung illegaler Drogen lehnen wir ab.”

Wer legalisiere, stelle gerade nicht Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenpolitik und entziehe sich „seiner Verantwortung und lässt Betroffene sowie ihre Angehörigen mit den Problemen allein”. Die Union setzt auf „Aufklärung sowie frühe und massentauglichere Sanktionen”.

Mehrheit im Bundestag für Cannabislegalisierung

Grüne, SPD, Linke und FDP sind sich hingegen weitestgehend einig, Cannabis legalisieren zu wollen. „Die Prohibition von Cannabis ist gescheitert”, sagt Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion auf RND-Anfrage. „Auf dem Schwarzmarkt gibt es weder Jugend- noch Gesundheitsschutz.”

Ihre Partei fordert ein Cannabiskontrollgesetz, das die gesamte Handelskette von Cannabis regulieren soll. In Cannabisfachgeschäften, zu denen nur Erwachsene Zutritt haben, soll es mit einer klaren Deklaration der Inhaltsstoffe und der Konzentration der Wirkstoffe abgegeben werden. „Dieses Konzept ist auch klar im Wahlprogramm verankert und wird gegenüber anderen Parteien vertreten”, sagt Kappert-Gonther.

Bundesverfassungsgericht prüft das Verbot

Ähnlich äußert sich ihr Parlamentskollege Wieland Schinnenburg von der FDP. „Kernproblem ist der Schwarzmarkt, wo weder Jugendschutz noch Qualitätssicherung eine Rolle spielen”, sagt Schinnenburg. Zudem werde die Justiz durch die vielen Cannabiskleindelikte erheblich belastet. „Bei einer kontrollieren Abgabe würden viele dieser Verfahren wegfallen und die Strafverfolgungsbehörden hätten Kapazitäten frei.” Seine Partei wolle sich auch in möglichen Koalitionsverhandlungen für die Legalisierung einsetzen.

Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sind derzeit zwei sogenannte Normenkontrollverfahren anhängig, in denen das Gericht prüft, ob das Cannabisverbot womöglich gegen das Grundgesetz verstößt. Sollte das Gericht entscheiden, dass das Verbot verfassungswidrig ist, stünde einer Legalisierung nichts mehr im Wege.

Die Zahl der Konsumenten nimmt jährlich zu – trotz Verbot

Andreas Müller ist Jugendrichter am Amtsgericht Bernau bei Berlin und engagiert sich seit Jahren für die Legalisierung von Cannabis. Er hat eines der beiden Normenkontrollverfahren ins Rollen gebracht, das andere stammt vom Amtsgericht Münster. „Dem Cannabisverbot steht die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben”, sagt Andreas Müller.

Der Jugendrichter und Autor Andreas Müller befürwortet seit Jahren die Legalisierung von Cannabis. © Quelle: imago/Horst Galuschka

Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten seien jahrzehntelang kriminalisiert und drangsaliert worden, bis hin zu Haftstrafen. „Für was?”, fragt Müller. Die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten nehme von Jahr zu Jahr zu – trotz des Verbots. „Die Prohibitionspolitik ist krachend gescheitert.”

Das Verbot fördert kriminelle Strukturen

Das letzte Mal hat sich das BVerfG 2002 mit dem Cannabisverbot befasst. Seitdem hat sich viel getan. In den USA, Kanada, Uruguay oder Spanien ist die Pflanze als Rauschmittel ganz oder teilweise legalisiert worden. Die Forschung hat wesentliche neue Erkenntnisse über Cannabis gewonnen. Auch in Deutschland ist Cannabis zu medizinischen Zwecken freigegeben worden. „Dieser Entwicklung muss sich der Gesetzgeber stellen”, sagt Müller.

Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag des des Deutschen Hanfverbandes (DHV) befürworten derzeit 46 Prozent der Deutschen die regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten, 51 Prozent, lehnen die Freigabe ab. Besonders hoch ist die Zustimmung bei den Jüngeren. Unter den 18- bis 39-Jährigen befürworten 60 Prozent eine Legalisierung.

Georg Wurth ist der Vorsitzender des DHV. Das Verbot fördere ihm zufolge kriminelle Strukturen und führe dazu, dass der Staat eine gewaltige Summe dem Schwarzmarkt überlässt. „Der Markt existiert, ob mit Verbot oder ohne”, sagt er. Eine Legalisierung wäre ein „Mehr an Regeln, keine unkontrollierte Freigabe”.

Quelle

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